Lesedauer: 5 Minuten

Stell dir vor, ein Hurrikan rast auf die Karibik zu – und niemand weiß genau, wo er landet. Klingt absurd? Leider nicht, wenn Donald Trump seine Pläne weiter umsetzt. Denn was in den USA als „Sicherheitsmaßnahme“ verkauft wird, entpuppt sich für die Antillen als echter Rückschritt bei der Wettervorhersage.

Ab dem 31. Juli stellt die US-Wetterbehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) den internationalen Austausch bestimmter Satellitendaten ein. Betroffen sind insbesondere die sogenannten Mikrowellenbilder – hochspezialisierte Aufnahmen, die eine entscheidende Rolle in der Hurrikanprognose spielen.

Und genau jetzt, mitten in der Tropensturmsaison, trifft das wie ein Schlag ins Gesicht.


Cybersicherheitsrisiko oder politisches Manöver?

Offiziell lautet der Grund für den Rückzug aus dem Datenaustausch: „ein bedeutendes Risiko für die Cybersicherheit“. Klingt erstmal plausibel. Doch schaut man genauer hin, wird schnell klar – dahinter steckt mehr als Sicherheits-Bedenken.

Seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus 2025 fährt seine Administration einen strammen Kurs gegen Wissenschaft und Umweltpolitik. Die NOAA wurde bereits personell dezimiert: Rund 20 % der Belegschaft mussten gehen. Unter den Entlassenen waren auch Spezialisten, die sonst mit Flugzeugen direkt in die Wirbelstürme fliegen – um sie von innen zu vermessen. Diese Wissenschaftler zu entlassen – Absurder kann man Sicherheitsdenken kaum definieren.

Thierry Jimonet von Météo-France in Guadeloupe bringt es auf den Punkt: „Wir verlieren essenzielles Know-how genau da, wo wir es am dringendsten brauchen.“


Satellitendaten als Lebensretter

Was viele nicht wissen: Die Ortung und Verfolgung tropischer Stürme hängt stark von den erwähnten Mikrowellenbildern ab. Sie liefern Details über die Struktur eines Hurrikans – selbst bei Nacht oder dichter Bewölkung. Ohne diese Daten verlieren Meteorologen buchstäblich den Überblick. Und das hat direkte Folgen.

„Je präziser die Anfangsanalyse, desto verlässlicher die Vorhersage“, erklärt Météo-France auf ihrer Website. Fehlen die Mikrowellenbilder, wird aus exakter Vorhersage rasch eine Schätzung – nicht gerade hilfreich, wenn es um Evakuierungen oder Schutzmaßnahmen geht.

Was bedeutet das konkret für die Karibik?

Zwischen Juni und November rechnet man dort mit 13 bis 19 starken Stürmen – laut NOAA könnten davon 6 bis 10 zu Hurrikans werden, 3 bis 5 davon gar zu schweren. Eine Zahl, die zeigt: Fehler in der Prognose können tödlich enden.


Mehr Daten, weniger Klarheit?

Samuel Morin vom französischen Zentrum für meteorologische Forschung warnt: „Ohne die US-Daten sinkt die Qualität unserer Vorhersagen. Unsere anderen Instrumente reichen nicht aus, um das zu kompensieren.“ Denn Wettervorhersagen sind ein hochkomplexes Puzzle – und jedes fehlende Teil bringt das Gesamtbild ins Wanken.

Zwar gibt es auch Satelliten der ESA (Europäische Weltraumorganisation) und das geostationäre Meteosat-System – doch gerade die Mikrowellenbilder aus den USA sind für die frühzeitige Erkennung der Sturmentwicklung unverzichtbar.

Was bleibt, ist ein notdürftiger Flickenteppich aus Datenquellen. Und der macht es schwerer, Stürme rechtzeitig zu erkennen, ihre Stärke einzuschätzen oder ihre genaue Zugbahn zu bestimmen.


Der Preis politischer Machtspiele

Doch warum trifft diese Entscheidung gerade die Antillen so hart?

Ganz einfach: Sie liegen mitten im Sturmzentrum und sind durch ihre geografische Lage extrem verletzlich. Zudem fehlt es vielen Inseln an Ressourcen für schnelle Reaktionen oder großflächige Evakuierungen. Eine präzise Vorwarnung ist oft der einzige Schutz. Und dieser Schutz bröckelt nun – nicht wegen technischer Probleme, sondern aus politischem Kalkül.

Trump will die NOAA schwächen – das ist kein Geheimnis. Seine Nähe zum sogenannten „Projekt 2025“, einem extrem rechten Thinktank, ist bekannt. Dieses Projekt kritisiert die NOAA als „alarmistisch“ – ein gefährlicher Vorwurf, der wissenschaftliche Fakten in Frage stellt und die Grundlage für rationale Klimapolitik entzieht.

Erinnern wir uns: Schon in seiner ersten Amtszeit 2017 trat Trump aus dem Pariser Klimaabkommen aus. Jetzt, im zweiten Anlauf, geht er einen Schritt weiter – mit tiefgreifenden Einschnitten in Forschung, Klimadaten und internationale Zusammenarbeit.


Können Europa und die Karibik gegensteuern?

Météo-France betont zwar, man sei „bereit, jedem Szenario zu begegnen“. Doch diese Durchhalteparole hat ihre Grenzen. Ohne US-Daten steht Europa vor einer strategischen Lücke, die sich nicht kurzfristig schließen lässt. Die nötige Infrastruktur – von zusätzlichen Satelliten bis hin zu mehr Radardaten – aufzubauen, kostet Zeit, Geld und Know-how.

Wird Europa also in den nächsten Jahren verstärkt eigene Satellitentechnik ausbauen müssen? Höchstwahrscheinlich. Und ja, das birgt auch Chancen. Denn Abhängigkeiten von einem einzelnen Land – besonders von einem, das Wissenschaft leugnet und zugleich instrumentalisiert – sind gefährlich.

Aber diese Transformation braucht einen langen Atem. Bis dahin bleibt die Prognosequalität instabil – eine riskante Ausgangslage, gerade in der aktuellen Zeit, in der der Klimawandel Hurrikans intensiver, unberechenbarer und zerstörerischer macht.


Ein Weckruf für internationale Zusammenarbeit

Wer jetzt denkt: „Das betrifft doch nur die Karibik“, irrt gewaltig. Klimawandel kennt keine Landesgrenzen. Und extreme Wetterereignisse sind längst nicht mehr auf bestimmte Regionen beschränkt.

Stell dir vor, auch Europa verliert Zugang zu essenziellen Wetterdaten – wie sähe dann die Vorwarnzeit bei Starkregen oder Hitzewellen aus?

Klar ist: Nur mit starker internationaler Kooperation lässt sich der Klimakrise effektiv begegnen. Wissenschaftler brauchen freien Zugang zu Daten – nicht nur aus ethischen, sondern auch aus rein praktischen Gründen. Denn Stürme fragen nicht nach Passkontrollen. Und Wettermodelle enden nicht an politischen Grenzen.

Die Entscheidung der USA sollte daher als dringender Appell verstanden werden: Der Klimawandel verlangt nach globalem Denken und nach dem Mut, kurzfristige Interessen dem Gemeinwohl unterzuordnen.


Hoffnung – und eine Prise Trotz

Trotz der Hiobsbotschaften: Es gibt auch Lichtblicke. In Europa mehren sich die Stimmen, die für mehr Autonomie in der Wetterforschung werben. Frankreich, Deutschland und die ESA arbeiten an neuen Satellitenprogrammen, um langfristig unabhängiger zu werden. Es wächst das Bewusstsein für eine engere Zusammenarbeit und eine stärkere eigene Infrastruktur.

Doch der Weg dahin wird kein Spaziergang. Wer heute den wissenschaftlichen Austausch beschneidet, bremst morgen die Fähigkeit zur Katastrophenvermeidung. Es bleibt zu hoffen, dass diese Erkenntnis sich noch rechtzeitig durchsetzt – bevor der nächste Sturm kommt.

Oder fragen wir mal anders: Wie viele Menschenleben ist politische Ideologie wert?

Von Andreas M. Brucker