Französisch Polynesien hat sich mit einem Paukenschlag in die Geschichtsbücher des globalen Umweltschutzes katapultiert: Mitten auf dem dritten UN-Ozeangipfel in Nizza verkündete Frankreichs Regierung die Schaffung der größten verwalteten Meeresschutzzone der Welt. Die Dimensionen? Gigantisch. Die Botschaft? Unmissverständlich. Der Ozean braucht Schutz – und zwar jetzt.
Ozeanische Superlative in Zahlen
Man stelle sich ein Gebiet vor, fast so groß wie der gesamte europäische Kontinent – das ist die neue Schutzzone in der Polynésie française. Satte 4,55 Millionen Quadratkilometer umfasst sie. Das entspricht fast der Hälfte der französischen Wirtschaftszone in Polynesien und stolze 7 Prozent der globalen Meeresoberfläche. Eine beeindruckende Zahl – doch das ist längst nicht alles.
Innerhalb dieser riesigen Fläche sind 900.000 Quadratkilometer vollständig für jede Form der wirtschaftlichen Nutzung gesperrt – absolut tabu für Fischfang, Rohstoffabbau oder industrielle Aktivitäten. Weitere 200.000 Quadratkilometer sind exklusiv der traditionellen, lokalen Fischerei vorbehalten. In Summe ergibt das 1,1 Millionen Quadratkilometer konsequent geschützten Ozeans. Ein Schutzschild inmitten der schäumenden Fluten – größer als das französische Festland.
Globaler Applaus trifft auf lokale Kritik
Weltweit hagelte es Lob: Umweltorganisationen wie die IUCN jubelten, Meeresschützer wie John Kerry und Sylvia Earle sprachen von einem „Game Changer“. Emmanuel Macron selbst bezeichnete die Entscheidung als historischen Meilenstein – Frankreich nehme seine Verantwortung im Pazifik ernst. Und das Timing ist kein Zufall: Der Druck auf internationale Regierungen, Meeresschutz nicht nur zu predigen, sondern auch umzusetzen, steigt stetig.
Doch nicht alle jubeln. Besonders auf den Marquesas-Inseln rumort es. Die lokalen Behörden fordern sogar mehr Schutz, nicht weniger. Sie möchten die Schutzzonen auf 30 Seemeilen rund um ihre Inseln ausdehnen – um die lokalen Fischer vor der übermächtigen industriellen Konkurrenz zu schützen. Zudem verlangen sie eine zusätzliche No-Take-Zone, die strengste Form des Meeresschutzes, von 310.000 Quadratkilometern südlich und östlich ihres Archipels. „Wir brauchen nicht nur Schutz, wir brauchen gerechten Schutz“, so der Tenor vor Ort.
Frankreichs blaue Mission
Diese Entscheidung katapultiert Frankreich endgültig in die Spitzengruppe der ozeanischen Schutznationen. Der Anteil der geschützten französischen Meereszonen steigt damit auf 78 Prozent – mehr als dreimal so viel wie vor dem Gipfel. Noch beeindruckender: Der Anteil stark geschützter Gebiete wächst von 4,8 auf 14,8 Prozent.
Frankreich, ohnehin schon zweitgrößte maritime Nation der Erde, festigt seinen Ruf als ambitionierter Hüter der Meere. Doch wie glaubwürdig ist das auf lange Sicht?
Zwischen Vision und Wirklichkeit
Klar ist: Ein so riesiges Gebiet zu schützen ist eine Mammutaufgabe. Überwachung? Logistisch anspruchsvoll. Durchsetzung? Teuer und technisch schwierig. Es reicht eben nicht, auf der Landkarte einen großen blauen Kreis zu ziehen – es braucht Schiffe, Satelliten, Kontrolleure und politische Rückendeckung.
Hinzu kommt: Die Einbindung der lokalen Bevölkerung ist entscheidend. Ohne ihr Mitwirken und ihre Zustimmung droht jede noch so wohlmeinende Schutzmaßnahme zu scheitern. Fischereigemeinschaften, indigene Gruppen, Inselverwaltungen – sie alle müssen mit ins Boot. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Hoffnung auf mehr – und auf Nachahmer
Doch trotz aller offenen Fragen ist die Botschaft klar: Es geht. Es ist machbar. Eine Schutzzone dieser Größenordnung zeigt, dass politische Entschlossenheit Großes bewegen kann. Und: Dass der Ozean nicht nur wirtschaftlicher Rohstofflieferant, sondern auch ein zerbrechliches, einzigartiges Ökosystem ist – das uns alle betrifft.
Wird die Initiative der Polynésie française ein Vorbild für andere Küstenstaaten sein? Vielleicht sogar der Weckruf, den die Weltmeere so dringend brauchen? Die Antwort liegt nicht nur im Pazifik – sondern in jedem Regierungssaal, jedem Fischerdorf und jedem Konsumentenbewusstsein.
Denn eines ist sicher: Wer den Ozean schützt, schützt letztlich auch sich selbst.
Von Andreas M. Brucker