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Wenn man über Klimawandel spricht, geht der Blick meist zu Boden: zu schmelzenden Gletschern, trockenen Feldern, brennenden Wäldern. Aber die vielleicht entscheidendere Geschichte spielt sich weiter oben ab – am Himmel. Genauer gesagt: in den Wolken.

Denn was lange als Unsicherheitsfaktor in der Klimaforschung galt, rückt nun in ein neues Licht. Aktuelle Studien, darunter eine des Alfred-Wegener-Instituts, zeigen: Wolken könnten die globale Erwärmung deutlich stärker verstärken als bisher gedacht. Ein unscheinbarer, aber hochwirksamer Prozess bahnt sich seinen Weg – und könnte unsere Klimamodelle gehörig durcheinanderwirbeln.

Zwischen Spiegel und Decke: Was Wolken eigentlich tun

Wolken sind nicht einfach nur hübsche Dekoration über unseren Köpfen. Sie haben zwei zentrale Funktionen im Klimasystem:

  1. Sie reflektieren Sonnenlicht zurück ins All – das kühlt.
  2. Sie halten Wärmestrahlung der Erde zurück – das wärmt.

Ob sie nun mehr kühlen oder mehr heizen, hängt ab von ihrer Höhe, Dichte, Farbe, Zusammensetzung und geografischen Lage. In der Summe war man lange der Meinung: Wolken wirken leicht kühlend – mit Unsicherheiten.

Aber das könnte sich gerade ändern.

Der Atlantik verliert seine Decke

Das Forschungsteam des Alfred-Wegener-Instituts analysierte globale Wetter- und Satellitendaten aus dem Jahr 2023 – dem heißesten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Und siehe da: Besonders über dem Atlantik ging die Bedeckung mit niedrigen Wolken spürbar zurück.

Diese „Wolkenschwund-Zonen“ hatten eine klare Wirkung: mehr Sonnenstrahlung drang bis zur Erdoberfläche durch, was wiederum zu einer zusätzlichen Erwärmung führte – laut Schätzung rund 0,23 Grad Celsius mehr, als bisher durch andere Klimafaktoren erklärt werden konnte.

Ein Auslöser für den globalen Hitzerekord? Sehr wahrscheinlich.

Warum verschwinden Wolken?

Drei Hauptfaktoren kommen infrage:

  • Natürliche Schwankungen wie El Niño oder Ozeanzyklen beeinflussen die Luftzirkulation und damit die Wolkenbildung.
  • Weniger Schwefelemissionen aus der Schifffahrt und Industrie führen zu weniger Aerosolen in der Atmosphäre – und damit zu weniger Kondensationskeimen für Wolken. Eine unbeabsichtigte Nebenwirkung von Umweltschutzmaßnahmen.
  • Rückkopplungen des Klimawandels selbst: Mit steigenden Temperaturen ändern sich Luftfeuchtigkeit, Windsysteme und Temperaturprofile – Bedingungen, unter denen sich Wolken schwerer bilden oder schneller auflösen.

Klimamodelle müssen nachjustiert werden

Was bedeutet das nun für die Wissenschaft?

Ziemlich viel. Denn viele Klimamodelle unterschätzten bislang den potenziellen positiven Rückkopplungseffekt von Wolken. Je weniger Wolken, desto mehr Erwärmung – was wiederum die Wolkenbildung weiter erschwert. Ein Teufelskreis im Himmel.

Diese Rückkopplung wirkt vielleicht subtil, ist aber verdammt mächtig – vor allem, wenn sie sich über Jahrzehnte aufaddiert.

Und jetzt?

Wenn sich der Wolkenschwund fortsetzt, müssen wir uns darauf einstellen, dass die globale Erwärmung schneller und intensiver verläuft als bisher prognostiziert. Das hat handfeste Folgen für:

  • Klimapolitik: Unsere Emissionsziele könnten noch ambitionierter werden müssen.
  • Anpassungsstrategien: Städte, Landwirtschaft, Infrastruktur – sie alle müssen sich auf mehr Hitze einstellen.
  • Klimaforschung: Die Modellierung von Wolkenprozessen muss dringend präzisiert werden – und das weltweit.

Ein Blick in den Himmel – mit anderen Augen

Vielleicht sollten wir öfter nach oben schauen. Nicht nur, um das Wetter zu checken oder Wolkenformationen zu bewundern – sondern um zu begreifen, dass selbst diese flüchtigen Gebilde im Himmel eine mächtige Rolle in unserem Überleben spielen.

Denn was, wenn der Himmel nicht mehr schützt?

Autor: MAB