Aerosole in der Atmosphäre reagieren auf einfallendes Sonnenlicht. Dieses Licht wird im Inneren der Aerosoltröpfchen und -partikel verstärkt und beschleunigt die Reaktionen. ETH-Forscher konnten diesen Effekt nun nachweisen, quantifizieren und empfehlen, ihn in künftigen Klimamodellen zu berücksichtigen.
Flüssigkeitströpfchen und sehr feine Partikel können Licht einfangen – ähnlich wie Licht zwischen zwei Spiegeln eingefangen werden kann. Infolgedessen wird die Intensität des Lichts in ihnen verstärkt. Dies geschieht auch in sehr feinen Wassertröpfchen und festen Partikeln in unserer Atmosphäre, den Aerosolen. Mit Hilfe moderner Röntgenmikroskopie haben Chemiker der ETH Zürich und des Paul Scherrer Instituts (PSI) nun untersucht, wie sich die Lichtverstärkung auf photochemische Prozesse auswirkt, die in den Aerosolen ablaufen. Sie konnten zeigen, dass diese chemischen Prozesse durch die Lichtverstärkung im Durchschnitt zwei- bis dreimal schneller ablaufen als ohne diesen Effekt.
Mit der Lichtquelle Schweiz am PSI untersuchten die Forschenden Aerosole, die aus winzigen Partikeln von Eisen(III)-citrat bestehen. Unter Lichteinwirkung wird diese Verbindung zu Eisen(II)-citrat reduziert. Mit Hilfe der Röntgenmikroskopie lassen sich Bereiche innerhalb der Aerosolpartikel, die aus Eisen(III)-citrat bestehen, von solchen, die aus Eisen(II)-citrat bestehen, bis auf 25 Nanometer genau unterscheiden. Auf diese Weise konnten die Wissenschaftler den zeitlichen Ablauf dieser photochemischen Reaktion in einzelnen Aerosolpartikeln hochauflösend beobachten und abbilden.
Zerfall bei Lichteinwirkung
„Eisen(III)-citrat war für uns eine repräsentative Verbindung, die sich mit unserer Methode gut untersuchen liess“, sagt Pablo Corral Arroyo, Postdoc in der Gruppe von ETH-Professorin Ruth Signorell und Erstautor der Studie. Eisen(III)-citrat steht stellvertretend für eine ganze Reihe von anderen chemischen Verbindungen, die in den Aerosolen der Atmosphäre vorkommen können. Viele organische und anorganische Verbindungen sind lichtempfindlich, und wenn sie dem Licht ausgesetzt werden, können sie in kleinere Moleküle zerfallen, die gasförmig sein und daher entweichen können. „Die Aerosolpartikel verlieren auf diese Weise an Masse und verändern ihre Eigenschaften“, erklärt Signorell. Unter anderem streuen sie das Sonnenlicht anders, was sich auf Wetter- und Klimaphänomene auswirkt. Außerdem ändern sich ihre Eigenschaften als Kondensationskerne bei der Wolkenbildung.
Damit haben die Ergebnisse auch Auswirkungen auf die Klimaforschung. „Aktuelle Computermodelle der globalen Atmosphärenchemie berücksichtigen diesen Lichtverstärkungseffekt noch nicht“, sagt ETH-Professor Signorell. Die Forscher schlagen vor, den Effekt in Zukunft in diese Modelle einzubeziehen.
Uneinheitliche Reaktionszeiten in den Partikeln
Die nun präzise kartierte und quantifizierte Lichtverstärkung in den Teilchen kommt durch Resonanzeffekte zustande. Die Lichtintensität ist auf der Seite des Teilchens am größten, die der Seite, auf die das Licht fällt, gegenüberliegt. „In diesem Hotspot laufen die photochemischen Reaktionen bis zu zehnmal schneller ab als ohne den Resonanzeffekt“, sagt Corral Arroyo. Über das gesamte Teilchen gemittelt ergibt sich daraus eine Beschleunigung um den oben genannten Faktor zwei bis drei. Photochemische Reaktionen in der Atmosphäre dauern normalerweise mehrere Stunden oder sogar Tage.
Anhand der Daten aus ihrem Experiment konnten die Forscher ein Computermodell erstellen, um die Auswirkungen typischer Aerosole in der Atmosphäre auf eine Reihe anderer photochemischer Reaktionen abzuschätzen. Es stellte sich heraus, dass der Effekt nicht nur für Eisen(III)-citratpartikel gilt, sondern für alle Aerosole – Partikel oder Tröpfchen -, die aus Verbindungen bestehen, die mit Licht reagieren können. Und auch diese Reaktionen laufen im Durchschnitt zwei- bis dreimal schneller ab.
Datum: April 14, 2022
Quelle: ETH Zürich
Journal Reference:
- Pablo Corral Arroyo, Grégory David, Peter A. Alpert, Evelyne A. Parmentier, Markus Ammann, Ruth Signorell. Amplification of light within aerosol particles accelerates in-particle photochemistry. Science, 2022; 376 (6590): 293 DOI: 10.1126/science.abm7915