Die verborgene Gefahr: Wenn die Tundra zum Kohlenstoffemittenten wird

Tundra
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Das Bild der kühlen, stillen Tundra könnte bald der Vergangenheit angehören. Eine aktuelle Studie, die in der renommierten Zeitschrift Nature veröffentlicht wurde, enthüllt, wie der Klimawandel diese bisher als Kohlenstoffsenken geltenden Regionen in Quellen für Treibhausgase verwandelt. Dieser Wandel könnte die Klimakrise weiter verschärfen.

Ein internationales Team aus über 70 Wissenschaftlern hat in 28 Tundra-Standorten weltweit Experimente durchgeführt, um die Auswirkungen der Erwärmung zu simulieren. Mithilfe von offenen Top-Kammern, die ähnlich wie Mini-Treibhäuser funktionieren, wurde lokal die Temperatur erhöht, indem Wind abgehalten und Wärme eingeschlossen wurde.

Diese Experimente führten zu einer durchschnittlichen Erhöhung der Lufttemperatur um 1,4 Grad Celsius und der Bodentemperatur um 0,4 Grad Celsius. Gleichzeitig sank die Bodenfeuchtigkeit um 1,6 Prozent. Die Folge? Eine Steigerung der Ökosystematmung um 30 Prozent während der Wachstumsperiode. Das bedeutet, dass mehr Kohlenstoff durch gesteigerte metabolische Aktivität in Boden und Pflanzen freigesetzt wird. Diese Veränderungen hielten mindestens 25 Jahre nach Beginn der Erwärmungsexperimente an – ein Aspekt, der in früheren Studien nicht aufgezeigt wurde.

Sybryn Maes von der Universität Umeå, der Hauptautor der Studie, erklärt: „Frühere Studien ließen bereits eine Zunahme der Respiration bei Erwärmung vermuten, aber wir haben eine bemerkenswerte Steigerung festgestellt – fast viermal höher als zuvor geschätzt, wenn auch zeitlich und örtlich variierend.“

Die Zunahme der Ökosystematmung variiert auch je nach lokalen Bodenbedingungen, wie Stickstoffgehalt und pH-Wert. Das verdeutlicht, dass geografische Unterschiede in der Reaktion auf die Erwärmung bestehen – manche Regionen werden stärker von der Kohlenstofffreisetzung betroffen sein als andere.

Ellen Dorrepaal, außerordentliche Professorin an der Universität Umeå, betont die Bedeutung dieser Erkenntnisse: „Unsere Arbeit stellt die erste Bewertung der Reaktion der Ökosystematmung auf experimentelle Erwärmung über ein so breites Umweltgefälle in der Tundra dar und berücksichtigt eine umfassende Reihe von Umweltfaktoren.“

Professor Matti Kummu von der Aalto-Universität fügt hinzu: „Wir stellen fest, dass einige Gebiete, insbesondere Teile Sibiriens und Kanadas, eine größere Sensibilität gegenüber der Erwärmung zeigen. Wir erwarten eine Zunahme der Respiration über die gesamte Arktis und alpine Tundra hinweg, aber weitere in situ Daten, insbesondere zu den lokalen Bodenbedingungen, sind entscheidend, um die bestehenden Unsicherheiten anzugehen und unsere Vorhersagen zu verfeinern.“

Die Forschung liefert einen entscheidenden Grundstein für verbesserte Klimamodelle. Doch die Wissenschaftler planen, ihre Untersuchungen durch die Analyse der Veränderungen der Experimentierstandorte über die Zeit hinweg weiter zu verfeinern und den Umfang des Experiments auf neue Standorte auszuweiten.

Verstehen, wie Ökosysteme auf den Klimawandel reagieren und wie diese Veränderungen wiederum den Klimawandel beeinflussen, ist entscheidend, um ein genaues Bild davon zu erhalten, wie sich unsere Welt verändern wird. Dieses Wissen ist unerlässlich, um effektive Strategien zur Minderung des Klimawandels zu entwickeln und die daraus resultierenden Herausforderungen zu meistern. Können wir es uns leisten, die Signale der Tundra zu ignorieren? Sicher nicht. Es ist höchste Zeit, zu handeln.


Reference:

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