Die Macht der Voreinstellungen: Wie Defaults die CO2-Kompensation im Flugverkehr beschleunigen können

Flugreisen
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Eine Studie, die von einem Forschungsteam der Universität Bern in Zusammenarbeit mit Professor Dr. Axel Ockenfels von der Universität zu Köln durchgeführt wurde, hat ergeben, dass viele Flugreisende auf Webseiten für CO2-Kompensation eher dazu neigen, schnellere und teurere Optionen zur Kompensation ihrer Emissionen zu wählen, wenn die Auswahl einer langsameren, günstigeren Option eine aktive Entscheidung erfordert. Diese Studie, veröffentlicht in „Nature Human Behaviour“, beleuchtet die Wirksamkeit von sogenannten Defaults – also Voreinstellungen, die automatisch gewählt werden, wenn keine explizite Ablehnung erfolgt.

Defaults sind ein bekanntes Instrument der Verhaltensökonomie, das unter anderem bei Organspende-Registrierungen oder Stromversorgungsverträgen angewendet wird, wo Kunden aktiv widersprechen müssen, um nicht automatisch eingeschrieben zu werden. In der Studie kooperierte das Team mit einem Webportal, das von einer großen europäischen Fluggesellschaft zur Kompensation von CO2-Emissionen genutzt wird.

Auf der Plattform können Passagiere entscheiden, wie schnell sie den bei ihrem Flug entstandenen Kohlendioxid-Ausstoß kompensieren möchten. Eine schnellere Kompensation ist möglich durch Investitionen in synthetisches Flugbenzin, was sehr teuer ist, aber verhindert, dass Kohlenstoff überhaupt erst ausgestoßen wird. Eine langsamere Kompensation ist durch Aufforstungsprojekte möglich, die CO2 über einen Zeitraum von zwanzig Jahren kompensieren.

Die Plattform bietet verschiedene Voreinstellungen an, die je nach Kosten variieren. Viele Passagiere akzeptierten die Voreinstellung unabhängig von den Kosten der voreingestellten Option. „Diese Ergebnisse zeigen, dass Menschen bereit sind, Defaults zu akzeptieren, auch wenn sie potenziell hohe Kosten verursachen“, fasst Sebastian Berger, Assistenzprofessor für nachhaltige soziale Entwicklung an der Universität Bern, zusammen. Allerdings wurde die Effektivität der Voreinstellungen geringer, je teurer sie im Vergleich zur günstigsten Option waren. „Sehr teure Defaults wurden nicht mehr akzeptiert“, fuhr er fort. „Daher kann man Menschen nicht nach Belieben ‚nudgen‘, sie sind preissensibel, wenn es um hohe Kosten geht.“

Die Ergebnisse der Studie tragen dazu bei, die Rolle der Kosten von Defaults zu verstehen, wenn deren Effektivität vorhergesagt werden soll. Laut den Autoren könnte das Nudging prinzipiell traditionelle ökonomische Anreize für Energieeinsparung ergänzen und die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in Europa reduzieren. Gleichzeitig warnt Axel Ockenfels davor, dass viele Effekte des Nudgings noch nicht ausreichend verstanden sind: „Fragen der Ethik, sozialen Wohlfahrt und Verteilung müssen weiter und systematischer erforscht werden, bevor es akzeptabel ist, Menschen zu bestimmten Verhaltensweisen zu ‚nudgen‘ – auch wenn diese Verhaltensänderungen kollektiv wünschenswert sind, zum Beispiel bei der Bekämpfung des Klimawandels und von Pandemien. Dies gilt besonders, wenn Verhaltensänderungen durch Entscheidungsarchitekturen herbeigeführt werden, die von gewinnmaximierenden Unternehmen gestaltet wurden.“


Publication:
Berger, S., Kilchenmann, A., Lenz, O., & Ockenfels, A., Schlöder, F., & Wyss, A. M. (2022). Large, but diminishing effectiveness of climate action nudges under rising costs. Nature Human Behaviour. DOI: 10.1038/s41562-022-01379-7